Türkei-Wahl: Echte Konkurrenz für Erdogan, NW Bünde 10.05.23

 Der bekannte Türkei-Experte und Politikwissenschaftler Burak Copur sprach in Bünde über die Frage: „Wohin treibt die Türkei?“


Bünde. „Die Aussichten auf eine Demokratisierung der Türkei sind wenig optimistisch, selbst bei einer Ablösung von Präsident Erdogan und seiner AKP-Partei bei den Wahlen am 14. Mai des Jahres.“ Das ist das Fazit eines Gastvortrags, gehalten von Burak Copur, Professor an der Internationale Hochschule Essen,in der Gaststätte Erdbrügger. Eingeladen hatte das Maikomitee Bünde den Türkeikenner und Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen zur Fragestellung „Wohin treibt die Türkei?“.

Copur bot vor rund 30 Interessierten einen detailreichen Einblick in die Lage des Landes eine Woche vor dem ersten Wahlgang. Die Inflation bewegt sich bei rund 80 Prozent. „Selbst Zwiebeln sind zurzeit ein Luxuslebensmittel“, sagte Copur. Dazu komme eine Jugendarbeitslosigkeit von 30 Prozent und die unbewältigten Folgen des Erdbebens. Hinzu komme, dass es keine unabhängige Justiz gebe. Auch sei die Türkei inzwischen zu einem Tummelplatz verschiedener internationaler Mafia-Organisationen geworden.

Die Opposition hat sich für die Parlamentswahl zu einem Bündnis bestehend aus sechs Parteien zusammengefunden. Eine gemeinsames Programm für die Lösung der größten Probleme des Landes hat der „Sechser-Tisch“ nicht. Es eint sie lediglich der Wille, die zwanzigjährige Regentschaft von Erdogan zu beenden. Copur zitierte an dieser Stelle ein Sprichwort, das gegenwärtig in der Türkei kursiert: „Es geht nicht darum, die Tore zum Himmel zu öffnen, sondern die Tore zur Hölle zu verschließen.“

Und selbst wenn die Opposition bei der Wahl des Präsidenten und des Parlaments gewinnen sollte, was von der Mehrzahl der Meinungsforschungsinstitute gegenwärtig vorausgesagt wird, wäre ein Regierungswechsel keineswegs automatisch gesichert. „Erdogan wird nicht freiwillig den Präsidentenpalast räumen“, prophezeite der Türkei-Experte.

Der Politikwissenschaftler wollte seine Zuhörer nach dieser insgesamt düsteren Perspektive aber nicht ohne Hoffnung nach Hause schicken. „Die Opposition hat am 14. Mai die Chance für einen politischen Wechsel. Ich baue da vor allem auf die Frauenbewegung, die Umweltbewegung und die Studierenden, Wissenschaftler und Intellektuellen des Landes,“ sagte Copur im Schlusswort seines Vortrags.