Die Dokumentation „Der Geschichte Gesichter geben“ über jüdisches Leben bewegt und war im Universum gut besucht.

Von Gerald Dunkel

Bünde
. Seit vielen Jahren begleitet der Filmemacher Norbert Kaase die Gedenkveranstaltungen am Mahnmal auf dem alten jüdischen Friedhof am Marktplatz. Mit seiner Kamera fing er in mehr als zwanzig Jahren aber noch wesentlich mehr ein. Er begleitete vor allem die AG Netzwerk-Spurensuche am Gymnasium am Markt, die die Geschichte der Bünder Juden im Nationalsozialismus aufarbeitete und die Verbindungen in die USA knüpfte, wohin einige damals noch rechtzeitig flüchten konnten. Zur Vorstellung der 90-minütigen Dokumentation im Universum-Kino, das der Förderverein Universum der Netzwerkgruppe kostenlos zur Verfügung stellte, kamen am Mittwochabend 85 Besucher.

Eigentlich hatte Norbert Kaase gar keinen Gedanken an Polizeischutz verschwendet, bis ihn ein Bekannter fragte, ob er wegen der aktuellen Lage im nahen Osten denn daran gedacht hätte. „Erst dann habe ich daran gedacht“, so der Filmemacher gegenüber der NW. Wie Kaase am Abend der Vorstellung aber erklärte, sei die Polizei nach seiner Anfrage nicht in Sorge gewesen, da es sich um einen Innenveranstaltung handele. Und letztlich sollte es auch bei einem friedlichen Abend bleiben, an dem ein Film einerseits an die hässlichste Zeit Bündes erinnerte und zugleich auch die Annäherung und das Wiedersehen mit Menschen feierte, die die Angst vor der eigenen Ermordung vor Jahrzehnten zur Flucht zwang.

Norbert Kaase, Christina Jaffe von der Netzwerkgruppe und Uli Papke vom Verein International warben mit weiteren Initiatoren und Unterstützer für diesen Film, der vor allem für Schulen gedacht ist und in Kapiteln angelegt wurde, die einzeln im Unterricht behandelt werden können. 

Im Zuge ihrer Nachforschungen schuf die Netzwerkgruppe um Christina Jaffe Kontakte zu 14 jüdischen Emigranten und ihren Kindern und Enkelkindern in den USA – die teils auf Einladung der Gruppe nach Bünde kamen. Auch fanden mehrere Gegenbesuche in Amerika statt. Die AG veranstaltete aber auch Mahnwachen und andere Treffen zum Thema in Bünde, sprach auch mit den Nachkommen der Täter.

Norbert Kaase begleitete und dokumentierte als „Haus- und Hoffilmer“ alle Phasen dieser wichtigen Arbeit und schuf mit dem Film selbst ein Stück Geschichte, von dem noch künftige Schülergenerationen lernen können.

 

 

Syrisch-deutscher Kulturabend sorgte für einen Hauch von Orient und gemeinsame Tänze auf dem Rathausplatz.

Bünde. Ralf Grund hatte den richtigen Riecher: „Bislang war es in diesem Kultursommer immer so, dass mit Beginn des Bühnenprogramms der Regen aufgehört hat“, beruhigte der Leiter des Bünder Stadtmarketings die Aufbauhelfer vom „Verein International“, als diese sorgenvoll in den Himmel über Bünde blickten.
Und tatsächlich: Kurz darauf konnten die rund 60 Besucherinnen und Besucher des syrisch-deutschen Kulturabends am Sonntagabend das zweistündige Programm auf dem Rathausplatz im Trockenen verfolgen.

Geboten wurde ein orientalischer Abend mit Musik, Gesang, Tanz, Texten, Tee und süßen Leckereien aus der syrischen Küche. 

Zu Beginn war das Publikum, das zum Teil auch aus den Umlandgemeinden kam, zu einer kleinen Fotoausstellung in das Foyer des Rathauses eingeladen. Dort zeigte Rohlata Nassan 16 Farbmotive von Bünde. Diese spiegelten den Tagesverlauf in der Elsestadt an unterschiedlichen Orten und aus einer durchaus ungewöhnlichen Perspektive wider. Die 53-jährige Altenpflegerin lebt mit ihrer Familie seit 2016 in Bünde und hat hier ihr Talent für Fotografie entdeckt. Sie sucht nach zufälligen Situationen und nimmt die Schönheiten ihrer neuen Heimatstadt in den Blick.

Im Mittelpunkt des Abends stand die Musik der Gruppe „Alyasamin“, der arabische Name für die Blume Jasmin. Dahinter verbergen sich vier Musiker: Hosam Alibrahim (Gesang, Oud), Salah Resto (Saz), Aram Alo (Gesang, Baglama) und Jawan Othman (Trommel). Ihre Stücke erzählen vom Leben in Syrien. Damit erreichten sie das Publikum und brachten ein Stück orientalische Stimmung auf den Rathausplatz. 

Besonders sorgfältig hatte sich Hosam Alibrahim auf den Auftritt vorbereitet: Mit seinem kräftigen Gesang interpretierte er die typische Folklore verschiedener Landesteile von Syrien. Inspiriert vom Rhythmus führten einige männliche Gäste einen Reihentanz vor der Bühne auf, dem sich später auch Frauen anschlossen.

Aram Hame, Mitorganisator des Kulturabends und Vorstandsmitglied im Verein International, moderierte zusammen mit Ulrich Papke die Veranstaltung und übersetzte die wesentlichen Programmpunkte. Er trug – wie bei den beiden vorherigen syrisch-deutschen Kulturabenden auch – Texte von namhaften syrischen Schriftstellern und selbst geschriebene Gedichte vor. Wichtigstes Thema bei ihm: die Liebe. Vor einigen Jahren hatte der 55-jährige Nachhilfelehrer für Mathematik bereits eine Liebeserklärung für seine neue Heimatstadt zu Papier gebracht, die er nun um eine weitere Strophe vortrug.






 

 

Bei der Nacht der Bibliotheken in der Bünder Stadtbücherei bieten Aram Hame und Hosam Alibrahim einen faszinierenden Einblick in die syrische Kultur.


Aram Hame und Hosam Alibrahim (l.) gestalten den Syrischen Abend zur Nacht der Bibliotheken unter dem Motto „grenzenlos“ in der Stadtbibliothek. Foto: Ralf Bittner

 Von Ralf Bittner

Bünde. „Alle Wege führen nach Rom, nach Bünde führt nur ein Weg der Liebe“, heißt es in einem selbst geschriebenen Gedicht Aram Hames, das er in der Stadtbibliothek vorträgt. Wahrscheinlich muss man dem Tod entkommen und als Geflüchteter oder sonst Außenstehender nach Bünde gekommen sein, um eine derart poetische Liebeserklärung an eine Stadt zu formulieren, in der „jede Elsebrücke eine Seele aus Liebe“ hat.

Der selbst geschriebene Text ist kein Gedicht im klassischen Sinne, sondern lebt von Rhythmus, arabeskenhaften Ausschmückungen, überraschenden Sprachbildern und Assoziationen. Das verbindet seinen Text mit Gedichten der kurdischen Dichter Melayê Cezîrî oder Cegerxwîn.

Cezîrî starb 1640. Cegerxwîns Familie war 1914 vor dem Kämpfen des Ersten Weltkriegs aus dem kurdischen Teil der Türkei nach Syrien geflohen. Er wurde zunächst Geistlicher, war dann in Syrien, dem Nordirak und im Libanon politisch aktiv, bevor er nach Schweden floh und dort 1984 verstarb.

Cegerxwîn hat auch viele politische Gedichte geschrieben“, sagte Hame. Für den „Syrischen Abend“ als Teil der Nacht der Bibliotheken hatte er sich aber ausschließlich Texte zum Thema „Liebe“ ausgesucht. Die trug er in Originalsprache – Kurdisch oder Arabisch – vor, einige dazu auch in eigenen Übersetzungen. 

So bekamen die Zuhörer, die der Einladung in die Bibliothek gefolgt waren, einen Eindruck von einem Lyrikverständnis, bei dem Sprachmelodie und Inhalt eine dicht miteinander verwobene, fast musikalisch anmutende Einheit bilden. Passend dazu gestaltete Hame den Abend gemeinsam mit dem Oud-Spieler und Sänger Hosam Alibrahim.

Alibrahim war 2015 vor dem syrischen Bürgerkrieg geflohen und lebt inzwischen in Bünde. Im Wechsel mit Hames Vortrag nahm er die Zuhörer mit in die faszinierend-kontrastreichen Klangwelten arabischer, syrischer und kurdischer Musik, die heute zugleich fremd und vertraut erscheint.

Hame gehört als Beisitzer zum Vorstand des Vereins International, der den Syrischen Abend als Teil der „Nacht der Bibliotheken“ in Kooperation mit der Bücherei organisiert hatte. „Der syrische Abend passte wunderbar zu ‚grenzenlos‘, dem landesweiten Motto der Aktion“, sagt Bibliotheksleiterin Ina Reßler, die mit ihrem Team bereits ab 17 Uhr mit Medienflohmarkt, Mini-Bücher basteln oder dem Programmieren von Robotern ein vielfältiges Programm geboten hatte.

Als weiterer Kooperationspartner zeigte Dominic Kostroß von „Me Vivo“ Kräftigungsübungen für Schultern, Rücken und Nacken, also speziell für Menschen, die viel Zeit am Computer oder lesend verbringen.

Mit dem Besucherzuspruch ist Reßler zufrieden: „Es waren sogar Besucher da, die noch keine Bibliotheksnutzer sind.“

 

 

 

 

 

 Der bekannte Türkei-Experte und Politikwissenschaftler Burak Copur sprach in Bünde über die Frage: „Wohin treibt die Türkei?“


Bünde. „Die Aussichten auf eine Demokratisierung der Türkei sind wenig optimistisch, selbst bei einer Ablösung von Präsident Erdogan und seiner AKP-Partei bei den Wahlen am 14. Mai des Jahres.“ Das ist das Fazit eines Gastvortrags, gehalten von Burak Copur, Professor an der Internationale Hochschule Essen,in der Gaststätte Erdbrügger. Eingeladen hatte das Maikomitee Bünde den Türkeikenner und Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen zur Fragestellung „Wohin treibt die Türkei?“.

Copur bot vor rund 30 Interessierten einen detailreichen Einblick in die Lage des Landes eine Woche vor dem ersten Wahlgang. Die Inflation bewegt sich bei rund 80 Prozent. „Selbst Zwiebeln sind zurzeit ein Luxuslebensmittel“, sagte Copur. Dazu komme eine Jugendarbeitslosigkeit von 30 Prozent und die unbewältigten Folgen des Erdbebens. Hinzu komme, dass es keine unabhängige Justiz gebe. Auch sei die Türkei inzwischen zu einem Tummelplatz verschiedener internationaler Mafia-Organisationen geworden.

Die Opposition hat sich für die Parlamentswahl zu einem Bündnis bestehend aus sechs Parteien zusammengefunden. Eine gemeinsames Programm für die Lösung der größten Probleme des Landes hat der „Sechser-Tisch“ nicht. Es eint sie lediglich der Wille, die zwanzigjährige Regentschaft von Erdogan zu beenden. Copur zitierte an dieser Stelle ein Sprichwort, das gegenwärtig in der Türkei kursiert: „Es geht nicht darum, die Tore zum Himmel zu öffnen, sondern die Tore zur Hölle zu verschließen.“

Und selbst wenn die Opposition bei der Wahl des Präsidenten und des Parlaments gewinnen sollte, was von der Mehrzahl der Meinungsforschungsinstitute gegenwärtig vorausgesagt wird, wäre ein Regierungswechsel keineswegs automatisch gesichert. „Erdogan wird nicht freiwillig den Präsidentenpalast räumen“, prophezeite der Türkei-Experte.

Der Politikwissenschaftler wollte seine Zuhörer nach dieser insgesamt düsteren Perspektive aber nicht ohne Hoffnung nach Hause schicken. „Die Opposition hat am 14. Mai die Chance für einen politischen Wechsel. Ich baue da vor allem auf die Frauenbewegung, die Umweltbewegung und die Studierenden, Wissenschaftler und Intellektuellen des Landes,“ sagte Copur im Schlusswort seines Vortrags.

 

 

 

 

 

Bis 2024 kann der Verein noch das Bonhoeffer-Haus nutzen, muss sich aber Gedanken für die „Zeit danach“ machen. Eine Idee wurde im Sozialausschuss schon genannt.

Von Gerald Dunkel

Bünde. Dass der Verein International eine wichtige Arbeit zur Integration von Geflüchteten leistet, kann und will niemand bestreiten. Allerdings braucht er für seine Sprachkurse, die Fahrradwerkstatt und die weiteren Integrationshilfen Platz, den ihm bislang das Bonhoeffer-Haus an der Wehmstraße ausreichend bot. Doch wie mehrfach berichtet, soll das Gebäude der Lydia-Kirchengemeinde abgerissen werden. Es sei energetisch nicht mehr tragbar und auch die Raumaufteilung schränke die Nutzungsmöglichkeiten stark ein, heißt es schon seit Jahren von den Verantwortlichen. Nach einem Beschluss im Ausschuss für Soziales und Integration steht einer weiteren Nutzung zumindest für das laufende Jahr nichts im Wege. Doch für 2024 kündigen sich die Abrissbagger an. 

Wie Ulf Dreier (SPD) in der Ausschusssitzung erklärte, habe die Kirchengemeinde wohl erklärt, dass das Bonhoeffer-Haus in 2023 noch nicht abgerissen werden soll. Grund seien Architektenverträge und Termine für die Vorlage von Entwürfen für den Neubau, die noch etwas auf sich warten lassen. Deshalb sei laut Dreier wohl auch die Kirche froh, „wenn der Verein International weiterhin Nutzer wäre, da sich derzeit einerseits viele Gruppen treffen und das Gebäude als Leerstand Ziel von Vandalismus werden könnte“. Dreier sprach in dem Zusammenhang von einer „Win-Win-Situation“.

Vonseiten der SPD, so Ulf Dreier, würde man dem Antrag des Vereins International auf finanzielle Unterstützung seiner Arbeit in Höhe von 9.200 Euro für 2023 und einer Übernahme der Nebenkosten im Rahmen der weiteren Nutzung des Bonhoeffer-Hauses zustimmen. Dreier schränkte aber zugleich ein, dass man dieser Unterstützung im Zusammenhang mit dem Bonhoeffer-Haus „letztmalig zustimmt“.

Ab 2024 muss es eine neue Möglichkeit geben“, so Dreier, der als Beispiel dafür die aktuell noch als „Altentagesstätte“ bezeichnete Begegnungseinrichtung an der Klinkstraße nannte. Dort könnte der Verein Kellerräume für die Fahrräder nutzen und im oberen Bereich Sprachkurse veranstalten. 

Auch Georg Kruthoff (CDU) schloss sich Dreier an und sagte: „Wir folgen diesem Gedankengang. Wir haben jetzt noch eineinhalb Jahre Zeit, bis das Damokles-Schwert ,Abriss’ zuschlägt. Man muss sich aber vorher Gedanken machen, wo wir mit dem Verein International hinwollen.“ Dem schlossen sich auch Eyüp Odabasi (Grüne) und Mareike Liebig (Die Linke) an. Im Beschluss hielt das Fachgremium fest, dass die Stadt die finanzielle Unterstützung von 9.200 Euro leisten soll und dass in der Herbsitzung des Ausschusses ein konkreter Zeitpunkt für ein Ende der Nutzung des Bonhoeffer-Hauses genannt werden soll, weil dann womöglich klarer erkennbar sei, wann der Abriss terminlich ansteht. Der Entscheidung schlossen sich 16 Ausschussmitglieder an. Sven Schäffer (FDP) enthielt sich. 

Dem Verein International wurden zuvor von der Stadt Räume in der ehemaligen Britensiedlung in Hunnebrock angeboten, was im Verein jedoch auf wenig Gegenliebe stieß. Vom Verein wurde zunächst die „geografische Randlage abseits des Stadtzentrums in Hunnebrock“ kritisiert. „Wenn man Integrationsarbeit ernst meint, dann gehören Geflüchtete zum Stadtbild dazu“, hieß es in einer Stellungnahme des Vereins International. Und weiter: „Eine Verdrängung manchmal problematischer Personengruppen in Randlagen fördert Gettobildung und Parallelgesellschaften und steht im Widerspruch zur öffentlich propagierten Willkommenskultur.“

Ferner seien im angebotenen „Medical Center“ Raumgrößen nicht passend. Eine Fahrradwerkstatt könne dort nicht eingerichtet werden und auch die Sprachkurse seien nur mit großen Einschränkungen möglich. Das sah Sozialamtsleiter Stefan Bohnhorst im November anders. Aus seiner Sicht sei im „Medical Centre“ alles „möglich, was der Verein braucht.“ Auch eine Fahrradwerkstatt ließe sich in der Nähe realisieren. „Im Stadtgebiet gibt es 100 Garagen, die zu den Bima-Unterkünften gehören“, sagt Bohnhorst. Diese seien fast alle leer. „Da ließen sich Fahrräder deponieren“, teilt er weiter mit. 

Für Sprachkurse verweist er auf das Stadtteilbüro, das sich in direkter Nähe zum „Medical Centre“ befindet. „Auch dort gibt es einen Raum, wo man zwölf Menschen beschulen könnte“, sagt er. Zudem wären auch Sprachkurse im Welcome-Center an der Behringstraße möglich. „Man könnte Sprachkurse dort anbieten, wo die Flüchtlinge wohnen“, sagt er.

Fest steht, dass Verein, Politik und Stadtverwaltung nun erst einmal ein paar Monate Zeit gewonnen haben, sich erneut auf die Suche nach einer neuen Bleibe zu machen, bevor wahrscheinlich im kommenden Jahr die Bagger an der Wehmstraße anrücken.