Presse
Immer mehr Städte sprechen sich dafür aus, Geflüchtete bei sich aufzunehmen, insbesondere Kinder. Eine Initiative fordert, dass die Stadt Bünde sich anschließt.
Mit einem Schreiben hat sich das Bündnis „Bünde solidarisch" an Bürgermeisterin Susanne Rutenkröger gewandt. Die Verfasser fordern, dass sich die Stadt der Initiative „Sichere Häfen" anschließt. Die Gruppen des Bündnisses haben sich einstimmig für einen solchen Antrag ausgesprochen.
„Immer mehr Kommunen in Deutschland stellen sich gegen die Abschottungspolitik Europas und wollen den Menschen ein sicheres Ankommen ermöglichen", schreibt das Bündnis an die Bürgermeisterin. Die Mitglieder fordern „mit Verweis auf die verfügbaren Kapazitäten in Bünde, unabhängig von der Erfüllungsquote, die zusätzliche Aufnahme von schutzbedürftigen Menschen, die unter katastrophalen Bedingungen in Flüchtlingslagern ausharren müssen." Besonders für Kinder seien die Zustände dort grausam, sie würden täglich Unsägliches erleiden.
Stadt soll sich bereit erklären, ab sofort Kinder aufzunehmen
„Wir möchte daher den Beispielen von Porta Westfalica, Minden, Bielefeld und vielen anderen Kommunen folgen und Bünde zu einem ,Sicheren Hafen’ erklären", heißt es weiter in dem Schreiben. Als Sofortmaßnahme fordert das Bündnis, dass die Stadt „zur Aufnahme von zehn minderjährigen Flüchtlingen aus den völlig überfüllten Flüchtlingslagern an den Grenzen Europas" bereit ist. Dies sei ein kleiner Beitrag einer weltoffenen Stadt und ein Gebot der Menschlichkeit: „Wir dürfen Staaten wie Griechenland nicht länger alleine lassen."
Die Idee zu den „Sicheren Häfen" hatte die Bewegung „Seebrücke", die sich für Geflüchtete einsetzt. Inzwischen haben sich mehr als 200 Kommunen in Deutschland zum „sicheren Hafen" erklärt. Allerdings dürfen deutsche Kommunen und Bundesländer solche Aufnahmeprogramme nur mit Zustimmung der Bundesregierung aufnehmen, das Bundesinnenministerium lehnte das bislang aber grundsätzlich ab.
Anschließen möchten sich die Gruppen von „Bünde solidarisch" dieser Idee trotzdem. Denn: „Wir sehen die Kommune in der Pflicht, ein politisches Zeichen zu setzen und mit gutem Beispiel voranzugehen". Ein sicherer Hafen zu werden, habe Signalwirkung und zeige: „Die europäische Idee bedeutet Solidarität und Hilfsbereitschaft, gerade in schwierigen Situationen."
Zum Bündnis „Bünde solidarisch“ gehören die folgenden Gruppierungen:
Initiative 9. November; Alevitengemeinde Bünde; Jusos; Fridays for Future; DGB; Villa Kunterbunt; AG Migration und Vielfalt der SPD; Die Linke; Die Partei; Verein International; Rise up for Justice Bielefeld; Naturfreunde Herford
Mehr als 300 Menschen demonstrierten am Samstag für ein „solidarisches Bünde“ und erteilten „rechter Hetze“ eine deutliche Absage. Kurz vor der Kommunalwahl war der Ort bewusst gewählt worden.
Von Gerald Dunkel
Bünde. Die Stadt Bünde ist im Kreis Herford die einzige Kommune, in der die „Alternative für Deutschland“ (AfD) eine Kandidatenliste für die Kommunalwahl zusammenbekommen hat. Für viele Organisationen und Gruppierungen ein Grund, dagegen zu demonstrieren. Sie wollen dem nicht „tatenlos zusehen“, wie sie selbst bekunden. Sie machten am Samstagnachmittag in der Bünder Innenstadt mobil und erklärten bei mehreren Kundgebungen, dass „Bünde bunt und weltoffen bleiben soll“ und Rassismus in der Stadt keinen Platz hat.
Etwas mehr als 300 Demonstranten machten deutlich, was sie von „rechter Hetze“ halten. Auch Ratspolitiker von SPD, Grünen und FDP sowie auch einige der neuen Kandidaten nahmen am Protestzug teil. Auch Landrat Jürgen Müller sowie die SPD-Bundes- und Landtagsabgeordneten Stefan Schwartze und Angela Lück schlossen sich den Demonstranten an.
Begleitet von Polizei zogen Menschen aus dem gesamten Kreis Herford und Bielefeld vom Bünder Bahnhof über die Bahnhofstraße durch die Innenstadt bis zum Steinmeisterpark, in dem eine Abschlusskundgebung stattfand. Auch zwischenzeitlich starker Regen trübte die Stimmung nicht.
Aufgerufen hatten die Initiative 9. November Bünde sowie der Verein Jugendzentrum Bünde (Villa Kunterbunt). Unterstützt wurden sie von den Jusos, der Aleviten-Gemeinde Bünde, dem Verein International, dem DGB, „Fridays for Future“ sowie der Jugendbewegung „Rise up for Justice Bielefeld“ (Steh’ auf für Gerechtigkeit).
»Das war unser erstes starkes Zeichen gegen die AfD hier in Bünde«
„Bünde ist keine Insel“, hieß es an verschiedenen Stellen mehrfach. „Rassismus, Antisemitismus und Verschwörungsideologien finden auch in Bünde eine zunehmend aggressive Gefolgschaft. In den sozialen Medien und an den Stammtischen wird systematisch Hetze betrieben“, so die Organisatoren des Protests.
Doch es ging nicht nur allein um ein deutliches Zeichen und einen gesellschaftlichen Pakt gegen Rechts. Die Organisatoren forderten für ein solidarisches Bünde aber auch „sichere Räume für selbstbestimmte Kinder- und Jugendarbeit“ und meinten damit in erster Linie die Jugendzentren „Atlantis“ und „Timeout“ sowie die „Villa Kunterbunt“. Auch „sicherer und guter Wohnraum“ stand neben weiteren Punkten auf der Agenda.
In mehreren Redebeiträgen am Bahnhof, auf dem Rathausvorplatz und zuletzt im Steinmeisterpark wurden auch zahlreiche Passanten auf die oft „versteckte Gefahr“ von Rassismus und Antisemitismus aufmerksam gemacht. Besonders anrührend waren dabei die Ansprachen des jungen Vertreters von „Rise up for Justice“ und der jungen Vertreterin der „Fridays for Future“-Bewegung Bünde.
„Ich bin ein Ostwestfale, der von Rassismus betroffen ist. So wie mir geht es vielen nicht-weißen Menschen. Deutsch, aber trotzdem fremd. Unsere Familien leben seit Generationen hier“, so der junge Redner. Er machte deutlich dass Rassismus nicht immer nur „Horrorgeschichten über prügelnde Neonazibanden“ seien. „Ich spreche über die kleinen täglichen Nadelstiche und Verletzungen des Alltagsrassismus’“. Den spüre er bei Bewerbungen, weil er einen anders klingenden Namen habe. Ladendetektive würden eher ihn beobachten, als einen weißen Kunden. „Ich bin nicht überempfindlich, nur weil ich Rassismus wahrnehme und darüber spreche“, sagte er.
Die junge Rednerin von „Fridays for Future“ machte deutlich, dass es ihrer Initiative nicht nur um Klima- und Umweltschutz gehe. „Ohne die Villa Kunterbunt würde es uns nicht geben. Sie hat uns, als wir angefangen haben, einen Platz gegeben, an dem wir uns treffen konnten und hat uns unterstützt, wo es nur ging. Und auch wir wollen in unserer Stadt, in der wir leben, keinen Rassismus haben.“
Mehrere Beiträge folgten im Steinmeisterpark, wo auch ein Grußwort von St. Josef-Gemeindereferent Ulrich Martinschledde, der nicht anwesend sein konnte, verlesen wurde. Er machte besonders den jungen Menschen Mut: „Ihr seid ein Zeichen dafür, dass wir hier in Bünde mehrheitlich keine Rattenfänger und politischen Brandstifter wollen und all denen, die mit populistischen Meinungen und diffusen Ängsten Politik machen wollen, keine Bühne bereiten.“
Die Organisatoren waren mit der Demo und der Resonanz sehr zufrieden. Von ihnen hieß es: „Das war hier in Bünde unser erstes starkes Zeichen gegen die AfD.“
Von Ralf Bittner
Bünde. Der Konflikt um das syrische Idlib und die Reaktion der Türkei, die Grenzen Richtung Griechenland und damit Europa für Geflüchtete zu öffnen, hat den Syrien-Konflikt wieder ins Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit gebracht: „Mit der Aktion will Erdogan militärischen Beistand der Nato, Geld und Waffen aus Europa erpressen“, sagte Murat Yilmaz, der auf Einladung von Aleviten-Gemeinde und Verein International über die Situation in Nordsyrien referierte.
Yilmaz, Mitglied der Partei Die Linke, lieferte einen kenntnisreichen Vortrag zur Geschichte eines Konfliktes, dessen Wurzeln für ihn im späten 19. Jahrhundert liegen, als sich die Kolonialmächte – damals vor allem England und Frankreich – den Zugang zu Erdöl und Einflusssphären sicherten. Nach der Niederlage des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg schufen die Kolonialmächte in Grundzügen den Nahen Osten wie er heute ist. In der Türkei entstand eine nationalistische Befreiungsbewegung an deren Ende eine Türkei unter Kemal Atatürk entstand. Der wird bis heute als Modernisierer gesehen, der das Land nach Westen öffnete.
Yilmaz sieht das anders: „Das war ein Despot, der gegen Minderheiten und politische Gegner gnadenlos vorging. Unter anderem verhängte er in den kurdischen Gebieten 1925 einen Ausnahmezustand, der bis 2002 bestand. Bis heute ist die Region durch ein Ringen verschiedener Mächte geprägt. So ist die umkämpfte Region Idlib von einem Ring türkischer, iranischer und russischer Kontrollposten umgeben. Auch die USA, England, Frankreich, China und Deutschland sind vor Ort“, sagt Yilmaz, „nur nicht so offensichtlich“.
„Im Zweifel heißt es immer: Alle gegen die Kurden“
Die Türkei rechtfertige ihr Expansionsstreben und die Feldzüge „Operation Friedensquelle“ 2019 und aktuell „Frühlingsschild“ auf syrischem Boden als Verteidigung gegen Terrorismus. Die Operationen werden von Kritikern als völkerrechtswidrig verurteilt, die Türkei beruft sich auf das Adana-Abkommen von 1998, in dem die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) zur Terrororganisation erklärt wurde. Außerdem verpflichtete sich Syrien, PKK-Aktivitäten auf seinem Territorium zu unterbinden und es erlaubt der Türkei bis zu 15 Kilometer tief auf syrischem Gebiet gegen die PKK vorzugehen. Dort sind heute aber nicht die PKK, sondern mehrheitlich kurdische, multiethnische und multireligiöse „Volksbefreiungseinheiten“ (YPG) aktiv, die von NATO, EU und Deutschland als militärische Partner im Kampf gegen den IS geschätzt, gleichzeitig aber wegen der Einstufung als Tarnorganisation der PKK durch die Türkei in Deutschland mit Repressionen überzogen werden.
Anders als die frühe PKK streben die Kurden heute keinen eigenen Staat mehr an, sondern einen Autonomiestatus ähnlich den Schweizer Kantonen. Damit wäre es Aufgabe Syriens, die kurdischen Gebiete an der Grenze zur Türkei gegen Erdogans Truppen zu verteidigen, eine Konstellation an die Yilmaz nicht so recht glaubt.
„Im Zweifel heißt es immer, alle gegen die Kurden, egal wie unterschiedlich die Interessen sonst sind“, sagt er. Mit „alle“ meint er die vier Staaten mit großen kurdischen Minderheiten Türkei, Iran, Irak und Syrien. Außerdem hätte die Geschichte der Türkei gezeigt, dass die Türkei auf Autonomieforderungen mit Umsiedlungen, Vertreibungen, Repression und notfalls brutalster Gewalt bis zum Völkermord reagiere.
Yilmaz sieht aber auch einen Hoffnungsschimmer: bei den Kommunalwahlen in der Türkei konnte die sozialdemokratische CHP viele Oberbürgermeisterposten in den Großstädten erringen, auch weil die mehrheitlich kurdische HDP keine eigenen Kandidaten aufgestellt hatte, und so die Stimmen der Opposition auf einen Kandidaten bündeln konnte.
„Kooperation und miteinander reden ist der einzige Weg zum Frieden“, glaubt Yilmaz, und die Konflikte nicht weiter mit Waffenlieferungen und Geld anzuheizen: „So werden auch die Fluchtursachen beseitigt.“ Und damit kommt er am Ende eines langen Vortragsabends doch noch in der Innenpolitik an.
Verein International erhält 2.000 Euro, um die Schicksale von Bünder Juden aufzuarbeiten
Norbert Kaase bearbeitet Bildmaterial zum Film über die Geschichte jüdischer Schicksale aus Bünde. Foto: Verein International
Gute Nachrichten erhielt dieser Tage der Verein International von der Bezirksregierung Detmold. Das NRW-Heimatministerium fördert mit einem Zuschuss von 2.000 Euro ein Filmprojekt des Vereins, das die Geschichte der Bünder Juden aufarbeitet, die unter der Nazidiktatur deportiert und in Konzentrationslagern umgebracht wurden.
„Der Geschichte Gesichter geben,“ ist der Titel des Films, den der Bünder Film- und Videoproduzent Norbert Kaase erstellen möchte. Historisches Material hat er bei den Gesprächen mit Zeitzeugen und den Aufnahmen bei der jährlichen Mahn- und Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht am 9. November bereits reichlich archiviert. „Da sind jetzt schon über 30 Videokassetten auszuwerten“, so Kaase.
Der fertige Film soll rund 45 Minuten dauern und vornehmlich im schulischen Unterricht gezeigt werden. Weitere Nutzungsmöglichkeiten wären das lokale Museum und das Kino Universum, die Volkshochschule sowie Kultur- und Jugendeinrichtungen im Bünder Land. In der Vergangenheit wurde die Erinnerungsarbeit wesentlich durch Begegnungen und Interviews mit Zeitzeugen und deren Angehörigen wachgehalten. Aufgrund des fortgeschrittenen Alters dieser Überlebenden des Holocaust ist diese Form des Gedenkens endlich. So hat der Verein International überlegt, durch ein Filmprojekt die Geschichte der Juden in Bünde zu dokumentieren und auch nachfolgenden Generationen zugänglich zu machen.
Die Idee dazu hatte Christina Whitelaw, ehemals Lehrerin am Gymnasium am Markt und Gründerin der dortigen Netzwerk-AG. Seit 1999 hat die „AG Netzwerk“ lokale Recherchearbeit geleistet und Material zu Einzelschicksalen dokumentiert. „Die Netzwerkgruppe verknüpft Gedenkarbeit mit Dialog zwischen drei Generationen. Im Zuge ihrer Nachforschungen entstanden Kontakte zu 14 jüdischen Emigranten, die teils auf Einladung der Gruppe in Bünde zu Besuch waren. Auch fanden mehrere Gegenbesuche in den USA statt“, berichtet Christina Whitelaw.
Mit der Förderung der Landesregierung können nun die nächsten Schritte zur Umsetzung des Filmprojekts angegangen werden. Für die Restfinanzierung sucht der Verein noch weitere Fördergelder und Spenden.
Nur mäßige Beteiligung beim Aufruf des Bünder Mai-Komitees. Beim Aufruf hatte es im Vorfeld Verwirrungen gegeben, weil das Datum nicht klar definiert worden war.
Siegbert Ruppel (Mitte mit Mikrofon) begrüßt für das Mai-Komitee die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Mahnwache. Foto: privat
Bünde. Das Bünder Mai-Komitee hatte spontan für Samstagmittag zu einer Mahnwache nach dem rechten Terroranschlag im hessischen Hanau in der Bünder Innenstadt aufgerufen. Beim Aufruf hatte es im Vorfeld Verwirrungen gegeben, weil das Datum nicht klar definiert worden war. Darum kamen auch weniger Bürger als erhofft.
Anfangs waren einige Interessierte von Sonntagmittag als Termin ausgegangen, weil im Aufruf über das Soziale Netzwerk Facebook von „Morgen 12 Uhr“ die Rede war. Dieses Missverständnis sorgte für deutliche weniger Teilnehmer an der Mahnwache, als es sich die Veranstalter erhofft hatten – knapp 150 Personen nahm an der halbstündigen Veranstaltung teil.
Klare Kante gegen rechtes Gedankengut
Zahlreiche Redner nutzten die Gelegenheit, um klare Kante gegen die AfD zu zeigen. „Wir sind wütend, wenn sich innerhalb staatlicher Sicherheitsbehörden wie der Polizei oder der Bundeswehr rechtes Gedankengut verbreiten kann, wie etwa bei der Frankfurter Polizei“, sagte der Bielefelder Ismail Tas vom NRW-Landesvorstand der Alevitischen Gemeinde Deutschland. Er kritisierte die Wahl von Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten mit den Stimmen der AfD scharf.
Der Bünder Ratsherr Elmar Holstiege von den Grünen äußerte die Hoffnung, dass in Berlin die Botschaft angekommen sei und es ein echtes Umdenken gibt. „Es darf keinen weiteren ,Fliegenschiss’ in unserer Geschichte geben. Wir wollen keine Gaulands und sonstige Gefolgsleute“, sagte Holstiege.
Die beiden Bürgermeisterkandidatinnen Stefanie Janßen-Rickmann (Bündnis 90/Die Grünen) und Susanne Rutenkröger (SPD) möchten Bünde weltoffen und bunt sehen. Die beiden Frauen betonten an dieser Stelle keinen Wahlkampf machen zu wollen und gemeinsam gegen rechtes Gedankengut einzutreten.
Information: Das Mai-Komitee
Das Mai-Komitee Bünde besteht aus den Institutionen der Aleviten-Gemeinde, des Deutschen Gewerkschaftsbundes Ortsverein Bünde, dem Verein International und der „Villa Kunterbunt".