Schulter an Schulter gegen Faschismus!“: Breites Bündnis formiert sich für Protest am 27. Januar

Von Daniel Salmon

BÜNDE (WB). Minden, Bielefeld, Paderborn: In den vergangenen Tagen sind in OWL tausende Menschen bei Anti-AfD-Protesten auf die Straße gegangen. Und auch in Bünde ist für Samstag, 27. Januar, eine Demo gegen Rechtsextremismus geplant. 

Es könnte die zweite größere Kundgebung im Kreis Herford zu dem Thema in den kommenden Tagen werden. Wie berichtet, hat die SPD im Wittekindskreis gemeinsam mit einem Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen und Organisationen für diesen Freitagabend, 26. Januar, zu einer Demo auf dem Herforder Rathausplatz aufgerufen. Gerechnet wird mit bis zu 1000 Teilnehmern. 

Auslöser für die beiden Veranstaltungen – sowie für weitere Demos bundesweit, an denen in den vergangenen Tagen schon mehr als eine Million Menschen teilgenommen hatten – waren die Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv über ein Treffen von Rechtsextremisten Ende November vergangenen Jahres in Potsdam. Daran hatten neben AfD-Politikern auch CDU-Mitglieder und Vertreter der Werteunion teilgenommen. Die bekannt gewordenen Inhalte des Geheimtreffens – unter anderem waren unter dem Stichwort „Remigration“ Pläne für die Vertreibung von Ausländern aus Deutschland thematisiert worden – hatten deutschlandweit für Empörung gesorgt. Anti-AfD-Demos landauf, landab waren die Reaktion darauf. 

Und auch in Bünde soll nun – einmal mehr – Flagge gegen rechte Strömungen gezeigt werden. In den sozialen Netzwerken im Internet kursiert seit Anfang der Woche ein Aufruf für eine Protestkundgebung, die am Samstag, 27. Januar, gegen 12 Uhr am Tönnies-Wellensiek-Platz starten soll. Das Motto der Veranstaltung lautet demnach „Schulter an Schulter gegen Faschismus! Rechtsruck und rassistische Hetze stoppen!“. Getragen wird die Demo von der Villa Bünde, der Alevitischen Gemeinde, dem Verein International, der Initiative 9. November, den Parents for Future, der katholischen sowie der evangelisch-lutherischen Gemeinde und dem Bündnis gegen Rechts im Kreis Herford. 

Laut einem Sprecher Initiative 9. November würden die Veranstalter mit rund 100 Teilnehmern rechnen: „Allerdings ist das ein Blick in die Glaskugel.“ Denn es sei nicht unwahrscheinlich, dass auch deutlich mehr Menschen den Protest unterstützen würden. 

Demo-Zug durch die City 

Den Organisatoren sei es zudem wichtig, dass die Veranstaltung als Veranstaltung verstanden werde, zu der eben nicht einzelne Parteien aufrufen. „Als Teil der Zivilgesellschaft sind Mitglieder von Parteien natürlich herzlich willkommen. Uns ist es aber wichtig, dass solche Veranstaltungen eben direkt aus der Mitte unserer Gemeinschaft kommen“, so der Sprecher. Und er ergänzt: „Wir hoffen, dass sich möglichst viele Leute an der Aktion beteiligen und ein deutliches Zeichen gegen das Erstarken des Faschismus und für eine offene und solidarische Gesellschaft setzen.“ Im Anschluss an eine Kundgebung am Tönnies-Wellensiek-Platz sei dann ein Demo-Zug durch die Bünder City geplant. 

Für den katholischen Gemeindereferenten Ulrich Martinschledde sei es selbstverständlich, dass sich auch die Kirche an einer solchen Aktion beteiligt. „Bei so einer gesellschaftlichen Bewegung sollten wir uns als Christen beteiligen“, erklärt er und betont, dass Hass und Hetze in einer demokratisch verfassten Gesellschaft keine Optionen seien. 

Bis zum gestrigen Dienstagnachmittag (23. Januar) lag der Herforder Kreispolizeibehörde noch keine Anmeldung für die am kommenden Samstag geplante Anti-Rechts-Demo in Bünde vor. Erst am Nachmittag bestätigte Behördensprecherin Simone Lah-Schnier: „Die entsprechenden Unterlagen sind nun auf postalischem Wege bei uns eingegangen.“ Ob und welche Auflagen die Veranstalter der Versammlung erfüllen müssen, ist somit noch unklar. 

 

 

Das Maikomitee beschäftigt sich beim Erinnern an die Reichspogromnacht auch mit der lokalen Gedenkpraxis und erntet dafür nicht nur Zustimmung.

Von Ralf Bittner

Bünde. Rund 70 Menschen, so viele wie lange nicht mehr, waren der Einladung des Maikomitees Bünde zum abendlichen Gedenken an die ermordeten Bünder Jüdinnen und Juden unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt!“ gefolgt. Am 85. Jahrestag der Reichspogromnacht wurde nicht nur an die deutschlandweite Zerstörung von Synagogen und jüdischen Geschäften, Verhaftungen und ersten Toten und die damit beginnende Vernichtung jüdischen Lebens im Deutschen Reich erinnert, sondern auch lieb gewonnene Selbstgewissheiten der Vergangenheitsbewältigung in Frage gestellt. 

Anlass dafür war ein zweiter „runder“ Jahrestag, die Einweihung des Mahnmals für die ermordeten Bünder Jüdinnen und Juden auf dem alten jüdischen Friedhof am Marktplatz. Das war vor 35 Jahren am 9. November 1988, zum 50. Jahrestag der Reichspogromnacht, eingeweiht worden und sowohl vor und nach der Einweihung umstritten. Da 1989, dem 1. Jahrestag der Einweihung, von der Stadt nur ein Kranz abgelegt worden sei, wurden ab 1990 vom Verein International, Deutschem Gewerkschaftsbund und dem Jugendzentrum Villa Kunterbunt gemeinsamen Gedenkveranstaltungen organisiert. Erst seit dem Jahr 2000 gebe es auch vormittags eine von der Stadt organisierte Veranstaltung, ebenfalls am Mahnmal. 

Beide Veranstaltungen haben bisher immer am Mahnmal stattgefunden und zeichneten sich durch einen beinahe ritualisierten Ablauf aus“, sagte Jonas Blum, der das abendliche Gedenken moderierte. Das begann diesmal nicht am Markt, sondern am Standort der zerstörten Synagoge, Eschstraße 10. „Das Gedenken gehört für uns an den Ort, der für das frühere jüdische Leben steht, und in die Innenstadt – dorthin, wo es auch wahrgenommen werden kann.“ 

Ein Sprecher der „Initiative 9. November“ zeichnete die lokale Geschichte von Ausgrenzung und Vernichtung jüdischen Lebens in Bünde nach, die nicht erst 1938, sondern schon 1933 mit dem nicht nur von der SA, sondern auch von Teilen der Kaufmannschaft getragenen Boykott jüdischer Geschäfte begonnen hatte. Aus der Tatsache, dass die meisten mitgemacht oder weggeschaut haben, folge die Notwenigkeit zur Politisierung des Gedenkens, das den „Widerstand gegen antisemitische und rassistische Verhältnisse heute“ einschließen müsse, so der Sprecher weiter. 

Das schließe auch die „kritische Auseinandersetzung“ mit der sogenannten „Vergangenheitsbewältigung“ ein. Das Schweigen über Shoa und Nationalsozialismus in der jungen Bundesrepublik war Thema, ebenso die kaum stattgefundene Verfolgung von Täterinnen und Tätern, die in der BRD sogar Karriere bis in höchste Ämter machen konnten. Die Erwähnung des SPD-Bundeskanzlers Helmut Schmidt in dieser Reihe, sorgte jedoch für Kopfschütteln und Zwischenrufe. 

Auch in der ab den 1980er Jahren einsetzenden Phase der „Bewältigung“ sei „über alles geredet, aber nichts begriffen“ worden. Sie sei befeuert durch den Mauerfall von 1989 vielmehr zur Basis eines neuen Patriotismus geworden, der es möglich mache, nicht „trotz, sondern wegen Auschwitz“ wieder „stolz auf Deutschland“ sein zu können.

Der zweite Teil der Rede beschäftigte sich mit einem bis weit in die Linke hinein „heißen“ Thema, dem nach dem „antisemitischen Angriff auf den Staat Israel“ wiederaufkommenden als „Israelkritik“ verschleierten Antisemitismus und weiteren aktuellen Themen wie der „Zeitenwende“ in einem Deutschland, dass sich wieder in die Konflikte der Welt einmische. Rassistische Polizeichats oder die Übernahme von AfD-Parolen in der aktuellen Debatte um erneute Verschärfungen des Asylrechts, zeigten, dass eben nichts aus der Geschichte gelernt worden sei, so der Sprecher. 

Nachdem unterwegs an einigen Stolpersteinen an die Einzelschicksale einiger der ermordeten Jüdinnen und Juden aus Bünde erinnert worden war, endet das Gedenken am Mahnmal am Marktplatz. Die Sprecherin hier hinterfragte ebenfalls die bisherigen Formen des Erinnerns und Gedenkens in Bünde als Teil der bisher gepflegten „Erinnerungskultur“, allerdings verbunden mit der Einladung zu Diskussion. Ob und wie sie aufgenommen wird, muss sich zeigen.
(Ende des Pressetextes)
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HINWEIS: Wer die kompletten Redetexte zur Veranstaltung nachlesen möchte, kann diese bei der Initiative 9. November Bünde anfordern unter der Mailadresse Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


 

 

 

 

Syrisch-deutscher Kulturabend sorgte für einen Hauch von Orient und gemeinsame Tänze auf dem Rathausplatz.

Bünde. Ralf Grund hatte den richtigen Riecher: „Bislang war es in diesem Kultursommer immer so, dass mit Beginn des Bühnenprogramms der Regen aufgehört hat“, beruhigte der Leiter des Bünder Stadtmarketings die Aufbauhelfer vom „Verein International“, als diese sorgenvoll in den Himmel über Bünde blickten.
Und tatsächlich: Kurz darauf konnten die rund 60 Besucherinnen und Besucher des syrisch-deutschen Kulturabends am Sonntagabend das zweistündige Programm auf dem Rathausplatz im Trockenen verfolgen.

Geboten wurde ein orientalischer Abend mit Musik, Gesang, Tanz, Texten, Tee und süßen Leckereien aus der syrischen Küche. 

Zu Beginn war das Publikum, das zum Teil auch aus den Umlandgemeinden kam, zu einer kleinen Fotoausstellung in das Foyer des Rathauses eingeladen. Dort zeigte Rohlata Nassan 16 Farbmotive von Bünde. Diese spiegelten den Tagesverlauf in der Elsestadt an unterschiedlichen Orten und aus einer durchaus ungewöhnlichen Perspektive wider. Die 53-jährige Altenpflegerin lebt mit ihrer Familie seit 2016 in Bünde und hat hier ihr Talent für Fotografie entdeckt. Sie sucht nach zufälligen Situationen und nimmt die Schönheiten ihrer neuen Heimatstadt in den Blick.

Im Mittelpunkt des Abends stand die Musik der Gruppe „Alyasamin“, der arabische Name für die Blume Jasmin. Dahinter verbergen sich vier Musiker: Hosam Alibrahim (Gesang, Oud), Salah Resto (Saz), Aram Alo (Gesang, Baglama) und Jawan Othman (Trommel). Ihre Stücke erzählen vom Leben in Syrien. Damit erreichten sie das Publikum und brachten ein Stück orientalische Stimmung auf den Rathausplatz. 

Besonders sorgfältig hatte sich Hosam Alibrahim auf den Auftritt vorbereitet: Mit seinem kräftigen Gesang interpretierte er die typische Folklore verschiedener Landesteile von Syrien. Inspiriert vom Rhythmus führten einige männliche Gäste einen Reihentanz vor der Bühne auf, dem sich später auch Frauen anschlossen.

Aram Hame, Mitorganisator des Kulturabends und Vorstandsmitglied im Verein International, moderierte zusammen mit Ulrich Papke die Veranstaltung und übersetzte die wesentlichen Programmpunkte. Er trug – wie bei den beiden vorherigen syrisch-deutschen Kulturabenden auch – Texte von namhaften syrischen Schriftstellern und selbst geschriebene Gedichte vor. Wichtigstes Thema bei ihm: die Liebe. Vor einigen Jahren hatte der 55-jährige Nachhilfelehrer für Mathematik bereits eine Liebeserklärung für seine neue Heimatstadt zu Papier gebracht, die er nun um eine weitere Strophe vortrug.






 

 

Die Dokumentation „Der Geschichte Gesichter geben“ über jüdisches Leben bewegt und war im Universum gut besucht.

Von Gerald Dunkel

Bünde
. Seit vielen Jahren begleitet der Filmemacher Norbert Kaase die Gedenkveranstaltungen am Mahnmal auf dem alten jüdischen Friedhof am Marktplatz. Mit seiner Kamera fing er in mehr als zwanzig Jahren aber noch wesentlich mehr ein. Er begleitete vor allem die AG Netzwerk-Spurensuche am Gymnasium am Markt, die die Geschichte der Bünder Juden im Nationalsozialismus aufarbeitete und die Verbindungen in die USA knüpfte, wohin einige damals noch rechtzeitig flüchten konnten. Zur Vorstellung der 90-minütigen Dokumentation im Universum-Kino, das der Förderverein Universum der Netzwerkgruppe kostenlos zur Verfügung stellte, kamen am Mittwochabend 85 Besucher.

Eigentlich hatte Norbert Kaase gar keinen Gedanken an Polizeischutz verschwendet, bis ihn ein Bekannter fragte, ob er wegen der aktuellen Lage im nahen Osten denn daran gedacht hätte. „Erst dann habe ich daran gedacht“, so der Filmemacher gegenüber der NW. Wie Kaase am Abend der Vorstellung aber erklärte, sei die Polizei nach seiner Anfrage nicht in Sorge gewesen, da es sich um einen Innenveranstaltung handele. Und letztlich sollte es auch bei einem friedlichen Abend bleiben, an dem ein Film einerseits an die hässlichste Zeit Bündes erinnerte und zugleich auch die Annäherung und das Wiedersehen mit Menschen feierte, die die Angst vor der eigenen Ermordung vor Jahrzehnten zur Flucht zwang.

Norbert Kaase, Christina Jaffe von der Netzwerkgruppe und Uli Papke vom Verein International warben mit weiteren Initiatoren und Unterstützer für diesen Film, der vor allem für Schulen gedacht ist und in Kapiteln angelegt wurde, die einzeln im Unterricht behandelt werden können. 

Im Zuge ihrer Nachforschungen schuf die Netzwerkgruppe um Christina Jaffe Kontakte zu 14 jüdischen Emigranten und ihren Kindern und Enkelkindern in den USA – die teils auf Einladung der Gruppe nach Bünde kamen. Auch fanden mehrere Gegenbesuche in Amerika statt. Die AG veranstaltete aber auch Mahnwachen und andere Treffen zum Thema in Bünde, sprach auch mit den Nachkommen der Täter.

Norbert Kaase begleitete und dokumentierte als „Haus- und Hoffilmer“ alle Phasen dieser wichtigen Arbeit und schuf mit dem Film selbst ein Stück Geschichte, von dem noch künftige Schülergenerationen lernen können.

 

 

 Der bekannte Türkei-Experte und Politikwissenschaftler Burak Copur sprach in Bünde über die Frage: „Wohin treibt die Türkei?“


Bünde. „Die Aussichten auf eine Demokratisierung der Türkei sind wenig optimistisch, selbst bei einer Ablösung von Präsident Erdogan und seiner AKP-Partei bei den Wahlen am 14. Mai des Jahres.“ Das ist das Fazit eines Gastvortrags, gehalten von Burak Copur, Professor an der Internationale Hochschule Essen,in der Gaststätte Erdbrügger. Eingeladen hatte das Maikomitee Bünde den Türkeikenner und Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen zur Fragestellung „Wohin treibt die Türkei?“.

Copur bot vor rund 30 Interessierten einen detailreichen Einblick in die Lage des Landes eine Woche vor dem ersten Wahlgang. Die Inflation bewegt sich bei rund 80 Prozent. „Selbst Zwiebeln sind zurzeit ein Luxuslebensmittel“, sagte Copur. Dazu komme eine Jugendarbeitslosigkeit von 30 Prozent und die unbewältigten Folgen des Erdbebens. Hinzu komme, dass es keine unabhängige Justiz gebe. Auch sei die Türkei inzwischen zu einem Tummelplatz verschiedener internationaler Mafia-Organisationen geworden.

Die Opposition hat sich für die Parlamentswahl zu einem Bündnis bestehend aus sechs Parteien zusammengefunden. Eine gemeinsames Programm für die Lösung der größten Probleme des Landes hat der „Sechser-Tisch“ nicht. Es eint sie lediglich der Wille, die zwanzigjährige Regentschaft von Erdogan zu beenden. Copur zitierte an dieser Stelle ein Sprichwort, das gegenwärtig in der Türkei kursiert: „Es geht nicht darum, die Tore zum Himmel zu öffnen, sondern die Tore zur Hölle zu verschließen.“

Und selbst wenn die Opposition bei der Wahl des Präsidenten und des Parlaments gewinnen sollte, was von der Mehrzahl der Meinungsforschungsinstitute gegenwärtig vorausgesagt wird, wäre ein Regierungswechsel keineswegs automatisch gesichert. „Erdogan wird nicht freiwillig den Präsidentenpalast räumen“, prophezeite der Türkei-Experte.

Der Politikwissenschaftler wollte seine Zuhörer nach dieser insgesamt düsteren Perspektive aber nicht ohne Hoffnung nach Hause schicken. „Die Opposition hat am 14. Mai die Chance für einen politischen Wechsel. Ich baue da vor allem auf die Frauenbewegung, die Umweltbewegung und die Studierenden, Wissenschaftler und Intellektuellen des Landes,“ sagte Copur im Schlusswort seines Vortrags.